11
Apr
2010

Herta Müller - Atemschaukel



Vorab: ich kenne viele Texte, die sich mit der Reaität des Nazi - und des kommunistischen Arbeitslagers beschäftigen: von Hermann Langbein: „Nicht wie die Schafe zur Schlachtbank“ Widerstand in NS-Konzentrationslagern" über Primo Levi bis zu allen Büchern von Solschenizyn - Archipel GULAG .
Aber keines gibt dem Leiden so große poetische Dichte, ja, der Text ist geradezu eine Poesie des Grauens, die letztendlich der Aussage des Romans noch diese implizit zufügt: Flüchte dich auch in ärgsten Nöten in das Reich der Metaphern - sie machen Mut.

Herta Müller
Atemschaukel

Roman
Erscheinungsdatum: 17.08.2009
Fester Einband, 304 Seiten

Preis: 19.90 € (D) / 34.50 sFR (CH) / 20.50 € (A)

ISBN 978-3-446-23391-1
Hanser Verlag

Klappentext

Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Die deutsche Bevölkerung lebt in Angst. "Es war 3 Uhr in der Nacht zum 15. Januar 1945, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15º C." So beginnt ein junger Mann den Bericht über seine Deportation in ein Lager nach Russland. Anhand seines Lebens erzählt Herta Müller von dem Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen. In Gesprächen mit dem Lyriker Oskar Pastior und anderen Überlebenden hat sie den Stoff gesammelt, den sie nun zu einem großen neuen Roman geformt hat. Ihr gelingt es, die Verfolgung Rumäniendeutscher unter Stalin in einer zutiefst individuellen Geschichte sichtbar zu machen.
**********************************************************

Da der Hanser-Verlag ausdrücklich jede Zitierung in der Öffentlichkeit verbietet, bin ich gezwungen, was, was ich Euch mitteilen will, meinerseits aus dem Net zu schöpfen.

http://www.tagesspiegel.de/kultur/Herta-Mueller-Atemschaukel;art772,2876606

daraus:

Und so hat Herta Müller dieses Buch auch geschrieben: als die Geschichte eines Einzelnen und die aller Geschundenen zugleich. Dafür steht ihr eine Sprache zur Verfügung, die außerordentlich ist, ein Ton von großer erzwungener Nüchternheit, als müsse immer wieder zwischen zwei Sätzen ein Schreien unterdrückt werden. Zugleich verfügt sie über eine poetische Erfindungskraft, die den Schrecken und das Schreckliche in Bilder fassen kann, die selbst dem Elend seine Würde lassen.

Denn furchtbarerweise ist es ja auch banal, wenn einer Hunger hat. Oder Angst. Oder friert. Oder sich anscheißt. Von der „Hautundknochenzeit“ ist da die Rede, vom „Hungerengel“, von der „Atemschaukel“, das sagt alles. „Der Unterleib war ausgefroren, die Beine schoben sich totkalt in die Därme.“ Oder: „Ich wollte langsam essen, weil ich länger was von der Suppe haben wollte. Aber mein Hunger saß wie ein Hund vor dem Teller und fraß.“ Oder: „Das Zopfende hing heraus, als hätte sie von einem kleinen braunen Vogel schon die Hälfte abgebissen.“ Sätze wie diese, die einem das Herz zerreißen, kann nur Herta Müller, und diese Sätze sind schön, sie sind von einer atemberaubenden Schönheit.



Diese Symbolworte, vor allem der Hungerengel und die Atemschaukel kommen immer wieder.

"Der Hungerengel geht offenen Auges einseitig.Er taumelt enge Kreise und balanciert auf der Atemschaukel. Er kennt das Heimweh im Hirn und in der Luft Sackgassen. "
Bubi40 - 11. Apr, 18:24

eulen nach athen tragen ...

kulturradio von rbb ( radio berlin brandenburg ) sendete eine gesamtlesung der "atemschaukel" ...
ich hatte das große glück, das ganze werk meisterlich vorgelesen zu bekommen ...
atemberaubend ...

Jossele - 12. Apr, 13:26

Was mich an dem Buch irritiert hat ist, dass Grauen ästhetisch sein kann, zumindest in der Beschreibung.

Nante - 12. Apr, 14:05

lieber Jossele ..

Das is ja das wirklich Erstaunliche und sprachlich ganz und gar Neue, dass die Müller es versteht, aus den realen Berichten des Protagonisten -, den die Worte seiner Großmutter:ICH WEISS, DU KOMMST WIEDER! am Leben hielten - ein so poetisches Werk zu schaffen.
Sie stellt die beinharte Wirklichkeit - übrigens immer in kurzen Satzarten - als das Schreckliche an sich und die symbolhaften Phantasien, die auch immer um Hunger, Durst, Dreck usw kreisen, als eine Art zweiter Ebene dar.

Jetzt traue ich mich doch einen ganz winzigen Ausschnit zu zitieren.

Kapitel Vom Hungerengel ( S.86 ff)
Die Hauptfigur muss als Schaufler in einem Kohlenkeller arbeiten. 1 Schaufel = 1 Gramm Brot ...
das denket er währen der Arbeit. Je mehr er diese imaginären Brotstücke zählt, desto mehr Arbeit bekommt der Hungerengel...
*****
Ich habe keine Angst vor dem Schaufeln, sondern vor mir. Also davor, dass ich beim Schaufeln an etwas anders denke als dass ich schaufle.Dies ist mir in der ersten Zeit manchmal passiert.Es zehrt an den Kräften, die man zum Schaufeln braucht.Die Herzschaufel bemerkt sofort, wenn ich nicht ganz bei ihr bin.Dann schnürt eine dünne Panik mir den Hals zu. In den Schläfen klopft der nackte Zweitakt.Er greift sich den Puls wie eine Meute Klaxons. Ich bin kurz vor dem Zusamenbruch ,im süßen Gaumen schwillt mir das Zäpfchen an. Und der Hungerengel hängt sich ganz in meinen Mund hinein, an mein Gaumensegel. Es ist seine Waage.Er setzt meine Augen auf, und die Herzschaufel wird schwindlig, die Kohle verschwimmt.Der Hungerengel stellt meine Wangen auf sein Kinn.Er lässt meinen Atem schaukeln. Die Atemschaukel ist ein Delirium - und was für eins. "

Vielleicht vermitteln Dir, lieber Jossele, diese wenigen Worte ein Bild dessen, was ich mit Poesie des Grauens meine.
Nante - 12. Apr, 18:02

Jossele - Jossele - Jo ....

Lies mal das Gedicht hier


Fadensonnen:

Paul Celan

über der grauschwarzen Ödnis.
Ein baum-
hoher Gedanke
greift sich den Lichtton: es sind
noch Lieder zu singen jenseits
der Menschen.



Auch dieser Text,ist, wie die meisten der Texte von Celan eine Poetiserung des Grauens ..Verarbeitung der Shoa .. er war deutschsprachiger Jude aus Rumänien -- seine Eltern und viele seiner Verwandten gingen " durchs Gas"


Manche meinen, dass so großes Leid nur noch in Methaphern deutlich gemacht werden kann.
Das direkte Wort, die Benennung stumpft ab.

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hier steht ebenso wenig...
https://nante31.twoday.net/ stories/taeglich/
Nante3 - 9. Aug, 18:36

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